Steile Innentreppen in Wohnungen

Verschiedentlich werden schmale Reihen- oder Doppelhäuser mit quer zur Gebäudeachse bzw. rechtwinklig zu den Haustrenn- und Giebelwänden orientierten Erschließungstreppen geplant und ausgestattet. Bei lichten Hausbreiten um 5 m und weniger werden diese Treppen immer steiler. In Abhängigkeit von der Geschosshöhe können beispielsweise Treppen folgender Aufteilung zustande kommen: „15 Stg 18.93/22“. Die geringe Auftrittstiefe von 22 cm wurde bei diesem Beispiel gewählt, um bei der genannten lichten Hausbreite noch ausreichend tiefe An- und Austrittspodeste anordnen zu können.

Auftrittstiefen von 22 cm oder weiniger unterschreiten die Vorgaben der DIN 18065, 2000-01 „Gebäudetreppen – Definitionen, Messregeln, Hauptmaße“. Hier ist in Tabelle 1 in Einfamilienhäusern eine Mindesttiefe von 23 cm für die Auftritte vorgesehen.

Zur Bewertung dieser Unterschreitung nachfolgend zunächst ein kurzer Hinweis zur geschuldeten Leistung und zur Rolle der DIN-Normen als Grundlage für Baukonstruktionen aller Art.

Grundsätzlich besteht die Verpflichtung der Bauschaffenden, dem Besteller ein Werk zu liefern, das den „allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik“ entspricht. Dieses Werk ist zivilrechtlich geschuldet, unabhängig von weiteren behördlichen Anforderungen und Auflagen.

DIN-Normen haben als Regelwerk dabei die Vermutung für sich, dass sie diese Regeln beinhalten. Diese Vermutung kann im Einzelfall widerlegt werden. So ist es z. B. durchaus üblich, in der Abdichtungstechnik Stoffe zu verwenden, die in den DIN-Normen nicht aufgeführt sind. Sofern die Regeln für die Verarbeitung dieser Stoffe allgemein bekannt, wissenschaftlich anerkannt und baupraktisch bewährt sind, bestehen keine Bedenken gegen deren Anwendung.

Bei Gebäudetreppen sind keine parallel zur DIN 18065 geltenden oder darüber hinaus gehenden Regeln bekannt, die Anlass für eine Abweichung von den Vorgaben dieser Norm geben.

Das Gegenteil ist der Fall. Diese Norm legt Mindestmaße fest, die für das sichere Begehen einer Treppe erforderlich sind. Diese Maße haben sich über lange Zeit in der Bundesrepublik Deutschland bewährt, Nutzer können dadurch Treppen, die nach dieser Norm gebaut wurden, intuitiv und ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen begehen. Bei einem Abweichen von diesen Vorgaben ist die Sicherheit beim Begehen eingeschränkt.

Ein weiterer Grund für die Einhaltung der Mindestmaße ist der Komfortaspekt. Bei einer Steigerung der durchschnittlichen Körpergröße von Generation zu Generation um mehrere Zentimeter wird es für große Menschen zunehmend schwieriger, Stufen mit geringer Tiefe zu begehen. Kann man beim aufgehenden Treppenlauf durch einen tiefen Untertritt noch einen begrenzten Ausgleich schaffen, so ist beim Absteigen auf einer Treppe die lotrechte Projektion der Treppenstufen das begrenzende Maß. Im Extremfall wird die Treppe nur noch mit der Ferse begangen, was den Gehkomfort deutlich einschränkt.

Somit sollte aus Gründen der Sicherheit und des Komforts von den Vorgaben der DIN 18065 nicht abgewichen werden.

Es ist ohne Belang, ob es sich bei der DIN 18065 um eine Norm handelt, die bauaufsichtlich eingeführt ist oder nicht. Für die Bewertung der Ausführung ist diese Tatsache unbedeutend. Bauaufsichtlich eingeführt werden in erster Linie Normen, die der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen. Daher sind in der Liste der eingeführten technischen Baubestimmungen zahlreiche Normen nicht zu finden, die dennoch zivilrechtliche Bedeutung haben.


Stand 07/09